Sonntag, 20. Oktober 2013

Nach langer Zeit...


Hallo ihr Lieben,
3 Wochen sind seit meinem letzten Eintrag jetzt vergangen. 3 Wochen in denen auf den ersten Blick eigentlich nicht viel Großartiges passiert ist. Genau aus diesem Grund habe ich lange gewartet um doch etwas Anständiges in meinen Blog schreiben zu können. Doch beim zusammentragen der Ereignisse fällt mir doch auf, dass keine Woche vergeht ohne das man doch etwas wirklich Großartiges erlebt hat.
Jetzt sind wirklich wieder drei Wochen wie im Flug vergangen, in denen beim näheren Betrachten echt viel passiert ist und diese drei Wochen gipfelten dann noch in einem Großereignis was dumm wäre nicht zu erwähnen.
Also was ist nun passiert?
Ich beginne mal mit unseren geliebten Hühnern. Seit dem letzten Blogeintrag sind immer noch die 6 übrigen verlieben. Es gab keine Toten! Mittlerweile gedeihen die Küken echt prächtig und sind eigentlich nicht mehr als Küken zu bezeichnen. Die süßen fluffigen Tierchen haben sich in riesige weiße aggressive Hennen verwandelt. Jeden morgen müssen Judith und ich in den Stall um diese zu füttern. Wir haben damit begonnen diese Fütterungen mit unseren Kameras zu filmen, weil Worte nicht beschreiben können was in diesem Stall abgeht. Sobald wir die Stalltür öffnen eskalieren die Hennen total und haben jetzt sogar begonnen über 40cm in die Luft zu „fliegen“ und uns zu attackieren wenn wir versuchen die Feeder und Drinker mit Essen und Flüssigkeiten zu füllen. Diese Attacken enden oft in großer Schreierei von Judith aber meist von meinerseits. Gestern habe ich dann fast das Handtuch geworfen und bin schreiend aus dem Stall gerannt. Diese Tiere bringen mich manchmal echt zur Verzweiflung. Dennoch will ich die Zeit nicht missen, denn diese Tiere haben Judith und mir schon eine unvergessliche Zeit beschert.
Eigentlich soll uns der Tierjunge Kosmas bei der Arbeit mit den Tieren helfen, sieht es aber nicht ein und guckt lieber zu, lacht uns aus und bezeichnet uns als fett. Dem müssen wir nochmal gehörig in den Arsch treten.
Im Allgemeinen steht die Körperfülle aller Menschen hier total im Vordergrund. Man wird immer mit anderen verglichen. Während sich unsere Köchin Mahde stets darüber freut wenn sie meint zu sehen wir hätten ein Gramm zugelegt, wird uns von anderen hier gelegentlich gesagt, wir wären wohlgenährt. Ich habe Judith schon angekündigt, dass ich bald in den Hungerstreik treten werde wenn das so weitergeht.
Das mit dem Hungerstreik funktioniert nicht. Das habe ich sehr schnell gemerkt. Durch die regelmäßigen Einladungen von Menschen aus der Gemeinde oder Freunde wie zum Beispiel Michael Oguto oder Jared, wird man dann doch zum Essen gedrängt.
Die Einladungen gestalten sich dann immer als ein lustiges Beisammensein mit der ein oder anderen Soda und netten Geschichten, die man gegenseitig austauscht. So erfährt man dann doch nochmal interessante Fakten über das eigene Gastland.
 
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere auch noch an den fetten Afrikaner den ich in meinem letzten Blogeintrag erwähnt habe? Eines Morgens beim Frühstück grinste uns dieser nämlich aus dem Fernseher an. Da hatten wir doch wohl ne richtige Celebrity bei uns im Auto!!!
 
 
 
Neben der Arbeit mit den Küken bin ich immer noch regelmäßig im Health Center arbeiten.
Durch die Arbeit dort bekommt man unglaublich viel Kontakt zu den Menschen aus der Gemeinde. So langsam gestaltet sich die Arbeit aber doch ein bisschen einseitig, denn ich dokumentieren montags und donnerstags nur die Daten der Babys und Schwangeren. So war ich echt glücklich darüber, als ich dienstags zum ersten Mal mit HIV Patienten arbeiten durfte. Mir wurde von Rueben erklärt wie man den Bluthochdruck misst während  David einen Vortrag für die HIV Patienten zur Aufklärung und Vorsorge von AIDS hielt.
An einem Tag hat das Health Center für mich auch einen Fluchtort geboten als ich vor den Kindern im Kindergarten die Flucht ergriffen habe. Diese haben mich während meinem Besuch dort derart zerkratzt und angefallen, dass ich das nach 10min nicht mehr ausgehalten habe. Mittlerweile ist es aber besser geworden und komme ohne Kratzer von meiner Arbeit aus dem Kindergarten zurück.
 

 
Wenn wir dann mal nicht so viel zu tun haben ordern wir uns gelegentlich ein PikiPiki um in die nächst größere Stadt, Siaya zu fahren.
Dort erlebt man auch immer eigenartige Situationen oder Menschen. Ob das nun ein Mann ist der einen mit einer Holzpistole verfolgt und droht einen zu erschießen oder eine schwangere Frau die einen mitten auf der Straße anbrüllt, weil diese unfähig ist zu sprechen und mit dieser Brüllerei erreichen will, dass man ihr Geld gibt.
Auch die Fahrten nach Siaya oder Kisumu mit einem Matatu oder PikiPiki sind immer sehr erlebnisreich. Ob es nun an einem Nagel liegt, der aus dem Sitz ragt und einem ständig in den Rücken piekt oder ob es die Straßen sind die durch den Regen eigentlich nicht befahrbar sind aber man trotzdem versucht mit dem Motorrad voran zu kommen.
Langweilig wird es auf jeden Fall nie.
 
Es gibt dann auch mal Tage an denen man sich nicht so wohl fühlt. An einem Tag ging es mir richtig schlecht und ich bin zum ersten Mal als Patient ins Health Center. Dort wurde dann direkt ein Bluttest gemacht um mich auf Malaria zu testen. Der Test war negativ. Trotzdem wurde ich mit genau 69 Tabletten überhäuft, teilweise auch gegen Malaria, die ich dann in den darauffolgenden drei Tagen schlucken musste. Danach war ich dann aber auch wieder topfit und konnte meine Zeit wieder richtig genießen.
Gott sei Dank, denn den Sonntag darauf gab es eine riesige Harambee auf dem Parish compound um für das Wasserprojekt zu spenden. Wir hatten total viele Visitors, die wir dann zusammen mit Mahde bedient haben. Das hieß für uns tausend Teller abtrocknen und hunderte von Sodaflaschen öffnen und wegbringen.
Einer der Visitors war Moses, der gleich für eine ganze Woche geblieben ist. Mit Moses sind wir dann an einem Tag zusammen zu einer Freundin, Celina, nach Kabura marschiert. Dort haben wir dann einen Spaziergang zum River gemacht, der einfach genau das Bild wiedergespiegelt hat, das ich von Afrika kenne. Es war einfach das Afrika, welches man aus Dokumentationen und Filmen aus dem Fernseher kennt.
Ich hab dann zum ersten Mal eine Kokosnuss mit Hülle gesehen und wurde aus meiner Illusion gerissen, dass im Inneren der Kokosnuss Milch sei.
Wir haben dann die Kokosnuss gemeinsam verspeist und es war die beste Kokosnuss meines Lebens. Zu meiner großen Freude durften wir dann noch eine mit nach Hause nehmen.
 
 
Aber es ist nicht alles so Friede, Freude, Eierkuchen wie es zunächst scheint. An einem Tag habe ich von unserem Diakon erfahren, dass in der Nacht zwei Patienten im Health Center gestorben sind.
Das hat mich total umgehauen und habe doch beinahe das ein oder andere Tränchen verdrückt.
 
In den letzten Tagen durften wir dann noch Stephen Obok kennenlernen. Der Tag mit ihm war wirklich eine Bereicherung. Stephen ist ein ehemaliger Angestellter im Health Center, der in den letzten Jahren viel zeit mit den anderen Freiwilligen in Uradi verbracht hat. Er betreibt mittlerweile eine Apotheke in Uranga, dem Nachbardorf, die er uns gezeigt hat. Bei einer Flasche Soda hat Stephen uns dann wirklich interessante Fakten über das Thema HIV und Aids gegeben. Die Zahlen von HIV infizierten Menschen in unserer Region war so erschreckend hoch, dass ich wirklich erstmal schlucken musste.
Einige Tage später nach unserem ersten Besuch, waren wir dann nochmal in Uranga um einen Freund zu besuchen und wurden spontan auch von Stephen eingeladen kurz mal vorbeizuschauen. Kurzerhand hat er uns dann seinen Bruder vorgestellt, der HIV positiv ist, und wird durften ihm ein paar Fragen stellen. Für mich eine komische Situation Patienten direkt auf ihre Krankheit anzusprechen. Stephen hat uns dann versprochen in kommender Zeit gemeinsam in die Dörfer zu fahren um kranke Menschen zu besuchen, die den Weg ins Krankenhaus nicht mehr schaffen. Ich war hellauf begeistert und hoffe, dass wir so schnell wie möglich damit loslegen.
 
 
 
Der Ausflug mit Moses sollte aber nicht der letzte sein. George, der Schreiner, hat sich zu unserem Fremdenführer ernannt und ist an zwei Tagen mit uns ein bisschen herumgereist. Der erste Ausflug ging nach Kisumu um dort Jenny zu besuchen, die auch mal als Freiwillige in Uradi tätig war. Wir haben dann dort gemeinsam gefrühstückt und sind dann aufgebrochen um Kisumu zu erkunden. Wir waren dann in einem riesigen Supermarkt, der so westlich war, dass man sich fast heimisch gefühlt hat. Danach sind wir dann zu einer MiniMall, da ich mit Stoff für ein afrikanisches Kleid gekauft habe um dieses auf der Hochzeit von Rueben, einem Kollegen aus dem Health Center, zu tragen. 3 Tage später konnte ich das gute Stück schon abholen und ich bin mehr als zufrieden.
Nach dem wir alles in Kisumu erledigt haben sind wir mit George weiter nach St. Banabas. St. Banabas ist eine Secondary School für Mädchen, auf die Georges Tochter geht. Am besagten Tag war dort Visitors Day für die Eltern. Wir haben dann unsere „Schwester“ kennengelernt und haben zusammen auf der Schulwiese gepicknickt. George hat uns einige Tage später dann noch gesagt, wie sehr sich seine Tochter über unseren Besuch gefreut hätte und das sie nicht damit gerechnet hat, dass wir extra für sie nach St. Banabas kommen. Das hat Judith und mich total gefreut und wir freuen uns schon richtig darauf, wenn die Schüler in Kenia Ferien haben, weil wir dann die Gelegenheit haben nochmal ein bisschen zeit mit Georges Tochter zu verbringen. Auch die Mädchen aus der Secondary School in der wir unterrichten, haben uns für die Ferien zu sich nach Hause eingeladen und haben uns versprochen Affen gucken zu gehen die in Mwer, ganz in der Nähe von unserem Parish, leben.
 
 

Der zweite Ausflug mit George ging dann zu Obamas Place. Dort wohnt die Großmutter von Barack Obama. Sarah Obama ist in Kenia eine kleine Berühmtheit. Blöderweise waren wir 2 Stunden zu früh, sodass es uns erst mal in ein Resort verschlagen hat. Dort haben wir es uns dann mit der ein oder anderen Tasse Tee und Mandazi gut gehen lassen.

Nach dem guten Frühstück sind wir dann zurück und durften das Gelände betreten. Das Gelände wird stets von Securitymännern überwacht.

Wir hatten dann ein kurzes Gespräch mit Oma Obama, in Luo, sodass wir fast nichts verstanden haben. Am selben Tag haben wir dann ein Bild mit Oma Obama auf Facebook gepostet und viele kommentierten das Bild mit Fragen wie „Was habt ihr für Fragen gestellt?“ und „Was hält sie von der weltpolitischen Situation?“. Uns war ein bisschen peinlich zu zugegeben, dass wir keinerlei Fragen in diese Richtung gestellt haben.

Wir haben später dann noch die Gräber von Papa und Opa Obama angeschaut und sind dann auch schon wieder gefahren. Während George zurück nach Uradi gefahren ist, sind Judith und Ich weiter nach Kisumu und sind erst mal in den Green Garden gefahren um dort eine Pizza zu essen. Ich bin vor Glück fast ausgeflippt.

Den Rest des Tages haben wir dann in Kisumu verbracht und sind nachmittags zurück um vor der Dunkelheit wieder auf dem Parish zu sein.


 
Mit einigen Mädchen aus der Secondary School konnten Judith und Ich uns auch schon sehr gut anfreunden und Judith und Ich lassen es nicht aus, regelmäßig nachts zu Form 4 zu schleichen, die auf dem Compound übernachten. Mit den Mädels haben wir auch schon einige lustige Situationen erlebt.
 An einem Abend haben Judith und Ich uns vor die Schlafraumtür gesetzt während die Mädchen noch Unterricht hatten. Als diese dann nur irgendwelche Menschen im Dunkeln vor ihrem Raum sitzen sehen haben, sind diese erst mal schreiend ein paar Meter zurückgewichen bis wir uns mit „Mzungo“ (=Weißer) zu erkennen gegeben haben. Ich hab gedacht, dass ich der größte Schisser auf dem Parish Compound bin. Da hab ich mich wohl geirrt. Der Wahnsinn wie schreckhaft die Mädchen hier sind. Im November werden die Mädchen den Compound dann verlassen, weil sie die Schule dann abgeschlossen haben. Judith und Ich sind schon ganz traurig, weil wir die Mädels echt ins Herz geschlossen haben.
 
 

Nachmittags machen wir auch meistens bei den Aktivitäten der Secondary Mädchen mit. Ob das beim Singen im Chor oder beim Fußball spielen auf dem schlimmsten Fußballplatz auf dem ich je war ist. Während dem Fußball muss man stets darauf achten, dass man nicht in Kuhscheiße tritt oder in Löcher fällt, die hier und da auf dem Feld zu finden sind.

Der Ball wird auch mal uninteressant wenn ein Truck mit Musik am Fußballfeld vorbeifährt. Es wird dann einfach begonnen zu tanzen und das Spiel für einige Minuten unterbrochen.

 
Und jetzt zu dem Großereignis was ich am Anfang erwähnt habe.
Am Samstag hatten wir hohen Besuch und zwar vom Archbishop. Dieser kam zu Besuch um die Schülerinnen von Form 4 vor ihren wichtigen Abschlussexamen zu segnen.
Um es dem Bischof schön zu machen, haben wir den Tag vorher gemeinsam mit den Mädels die Klassenräume gefegt und gewischt und das Schulgelände gesäubert.

 
Wir haben dann über 2 Stunden auf den Bischof warten müssen. Als er dann endlich ankam hielt er eine Messe, die reichlich von Gesang und Tanz der Secondary Mädchen unterbrochen wurde. Die hatten für diese Auftritte nämlich schon Wochen vorher begonnen zu proben.

Die Messe nahm dann aber ein jähes Ende, da es einen so unglaublich heftigen Regeneinbruch gab, dass zwei der Festzelte umgeblasen wurden. Wir haben dann alle Schutz in der Schule gesucht. So schnell der Regen kam, hörte er auch wieder auf. Daraufhin habe ich dann gemeinsam mit einigen Schülerinnen beim Fotografen machen lassen der vor Ort war.
So viel zeit für Fotos hatten wir aber nicht, da wir gemeinsam mit dem Bischof essen sollten.
Es gab ein riesiges Buffet und sogar eine 4stöckige Torte.

Als wir dann nach einem langen Tag zurück in unser Haus sind, haben wir etwas sehr blödes festgestellt. Während wir den ganzen Tag nicht auf dem Compound waren, hat irgendwer versucht bei uns einzubrechen. Gott sei Dank war er nicht erfolgreich, sodass wir „nur“ drei kaputte Fenster haben, die aber jetzt ganz schnell repariert werden sollen.

 
Wie man sieht ist doch einiges passiert die letzten Wochen.

Ich hoffe ich schaffe es jetzt mal regelmäßiger in meinen Blog zu schreiben. Die langen Einträge möchte ich nämlich wirklich keinem mehr zumuten.